Tanzen

Beitragsbild: Levi Guzman auf Unsplash
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Als Mädchen hätte ich so gern tanzen gelernt. Doch das war in unserer Familie verboten, da es für meine streng gläubigen Eltern als Sünde galt, wie allerdings so vieles andere auch. Ich verstand nicht, warum gerade Dinge, die Freude machten, bei den Baptisten nicht erlaubt waren. Dazu gehörten ebenso Fernsehen, Kinobesuche, nicht christliche Musik, nicht christliche Bücher, Schminken, modische Frisuren und Kleidung. Von Rauchen und Alkohol ganz zu schweigen. Die letzteren zwei könnte ich ja noch akzeptieren. Aber warum, zum Teufel, durfte ich nicht in Anwesenheit meiner Mutter laut und ausgelassen lachen? …

Erklärungen diesbezüglich bekamen wir Kinder keine, es war gotteswidrig und basta. Doch ich wollte nicht beten müssen – ich wollte leben und mich des Lebens freuen dürfen. Denkbar, dass meine absolute Ablehnung jeglicher Religion darin begründet liegt.

Es gab in der Schule so etwas wie einen Tanzkreis, an dem ich ein einziges Mal teilgenommen hatte. Ich fand es so toll, Tanzschritte zu üben und mich im Takt der Musik bewegen zu können, was mir ein wunderbares Gefühl der Sorglosigkeit, Leichtigkeit und Freiheit gab. Aber bei diesem einen Mal blieb es auch.

Später hätte ich natürlich das Tanzen-Lernen noch nachholen können, doch mir war nicht mehr danach. Im Vordergrund standen immer wichtigere Angelegenheiten und Herausforderungen: die Beziehung, der erste unbeliebte Qual-Job, dann doch die gewünschte Berufsausbildung, Schwangerschaften, Versorgung der Kinder, ihre und die eigenen Krankheiten und verschiedenerlei Probleme. Kurzum – der alltägliche Kampf. In Russland gab es bekanntermaßen genug (praktisch alles), was man für sich und seine Familie zu erkämpfen hatte. Jeden einzelnen Tag. Stets und ständig und allerorts.

So kam es, dass ich auch den Hochzeitswalzer erst einmal üben musste, als meine Frau und ich 2005 heirateten – in Deutschland, versteht sich (damals hieß es noch: Lebenspartnerschaft eintragen lassen). Ich habe es hinbekommen, wenn auch nur mit der Note „Befriedigend“. 

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