
Ein im Internet entdecktes Foto hat meine Aufmerksamkeit erregt und Erinnerungen, mit besonderen Emotionen verbunden, geweckt.

In meiner Kindheit waren Spielzeuge rar. Erstens gab es nicht genügend davon zu kaufen (warum, muss ich sicher nicht erklären). Zweitens verschwendeten unsere Eltern für derart Unnötiges nur ungern ihr hart verdientes Geld. Hierzu ein Zitat aus meinem früheren Beitrag:
Die wenigen meiner Leserinnen und Leser wissen, dass die in Kolchosen (kollektiven Wirtschaften) arbeitenden Bauern bis Juli 1966 für ihre Arbeit nicht mit Geld, sondern am Ende des Jahres in Naturalien entlohnt wurden, je nachdem, wie viele Arbeitstage die Verwaltung ihnen aufschrieb. Das erforderliche „Kleingeld“, das sie zum Beispiel für Kleidung, Schulutensilien für Kinder und anderes [oder auch, wenn man so will, für Spielsachen] benötigten, bekamen sie, indem sie auf dem Basar (Bauernmarkt) Produkte aus dem eigenen Hof verkauften (Kartoffeln, Gemüse, Obst, Eier). Auch besaßen sie lange Zeit keine Pässe, erst ab 1974 wurden die ihnen ausgegeben / angeordnet.
[Sklaverei auf Sowjetisch, nicht wahr?].
1966 war ich 12 Jahre alt, nebenbei bemerkt. Nein, ich besaß wirklich nicht allzu viele Spielsachen. Über dieses Thema schrieb ich bereits, und zwar in diesem Blogartikel: Spielen – drinnen und draußen.
Doch zurück zu dem oben abgebildeten länglichen Gegenstand. Es ist nicht schwer zu erkennen, dass es sich um ein Kaleidoskop handelt. Ich weiß nicht mehr, woher ich das Spielzeug hatte oder wie alt ich damals war. Was mir aber gut in Erinnerung geblieben ist, ist die Begeisterung, die mich bereits beim ersten Blick durch das kleine Guckloch überkam: Die Bilder, die sich bei jeder Drehung neu formten, waren unterschiedlich, aber immer in harmonischer Symmetrie angeordnet. Gegen das Licht gehalten, funkelten sie, wie mit Edelsteinen gesprenkelt. Sie schienen einen wundersamen Einklang in mir zu finden, als seien sie ein Abdruck meiner verborgenen Sehnsucht. Erst später erfuhr ich, wie ein Kaleidoskop funktioniert. Enttäuscht war ich deswegen nicht, vielmehr erstaunt darüber, dass aus kleinen, farbigen Glassplittern und drei Spiegelstreifen in einem unscheinbaren Papprohr so etwas Wunderschönes entstehen konnte.
Schon als Kind träumte ich von einer schönen, bunten, harmonischen Welt, fühlte mich von Farben, melodischen Klängen und Rhythmen angezogen. Dieses Verlangen nach Harmonie – nicht nur in der Außenwelt, in der Musik und in den Büchern, sondern auch im Zwischenmenschlichen – ist bis heute in mir stark. Konflikte bringen mich sofort aus dem Gleichgewicht, wirken wie eine persönliche Katastrophe. Meine Frau und ich streiten uns zum Glück selten, und wenn es doch zu einer Auseinandersetzung kommt, dann ist sie nicht von langer Dauer. Meistens bin ich diejenige, die als erste die Versöhnung sucht und auch schnell findet. Davor, in der Ehe mit meinem Mann, war das anders. Ja, er hatte viele positive Eigenschaften, aber auch eine sehr unangenehme. Von jetzt auf gleich konnte er beleidigt sein, häufig ohne erkennbaren Grund, dann sprach er wochenlang nicht mit mir. Trotz aller Versuche, ihn dazu zu bewegen, mir mitzuteilen, was ihn stört oder womit ich ihn verärgert habe, blieb er stur, bis sein Missmut allmählich nachließ und schließlich ganz verging. Solche Phasen waren eine richtige Qual für mich und trugen, denke ich, erheblich zu unserer Entfremdung bei. Aber zeigt das nicht einmal mehr, dass kein Mensch perfekt ist?
Dieser Beitrag ist gewissermaßen „vom Hölzchen aufs Stöckchen“ geraten: Beginnend mit einem Spielzeug, greift er das Thema Harmonie auf und endet bei zwischenmenschlichen Beziehungen. So kann es eben passieren, wenn man seinen Gedanken freien Lauf lässt.
Als Postskriptum: Mein Bestreben ist ja, auch das, was ich schreibe, in einer gewissen Harmonie zu gestalten. Ich muss jedoch gestehen, dass ich zuweilen an meine Grenzen stoße. Vielleicht soll ich gar nicht so viel an den Texten herumbasteln? Dadurch wird nicht jeder Beitrag unbedingt besser, heißt es doch nicht umsonst: Manchmal ist weniger mehr. Aber kann ich mir diese Vorgehensweise noch abgewöhnen? Ich bezweifle es.
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