Vier Tage in München ... Nun sind Daggi und ich wieder zurück. Es war eine schöne Zeit mit zwei lieb gewonnenen Freundinnen. Wir sprachen über dies und das und jenes. Auch zu den Themen ‚Spiritualität‘ und ‚außergewöhnliche Erlebnisse‘ hatte jede von uns etwas beizutragen, sogar ich, obwohl – wie allgemein bekannt – ich ziemlich schweigsam bin und lieber anderen zuhöre, als selbst rede.
Woher schöpfen wir die Energie, was sind die besonderen Orte, die uns inspirieren, an denen wir uns mit der Natur, mit dem ganzen Universum verbunden fühlen, die uns bestätigen, dass das, was wir tun, das einzig Richtige ist? Was bewegt uns, macht uns glücklich und was sind die Steine, die uns im Weg liegen?
Wie um diesem Thema einen Abschluss zu geben, unternahmen wir am Dienstag einen Ausflug ins Kloster Seeon. Für die zwei Münchnerinnen ist es der Ort der Magie und Inspiration. Ich glaube nicht an Gott – das wiederhole ich immer wieder gern – und doch war ich fasziniert von dem, was ich alles sah. Beeindruckend das Skriptorium – die mittelalterliche Schreibwerkstatt. Die Farbherstellung für die Schriften und Zeichnungen in dieser Zeit – hochinteressant. St. Walburgis Kirche – die an der Friedhofsmauer angebrachte Grabplatte mit der Aufschrift „Anastasia“ weist auf die beigesetzte Urne der sehr umstrittenen, angeblichen Tochter des letzten Zaren hin … Wir sahen uns die Klosterkirche an, bewunderten die Orgel, auf der einst Mozart spielte.
Und dann in der Kirche, in dem gewölbten Gang zum ‚Raum der Stille‘ machte ich eine Entdeckung, die mich verblüffte und den Atem anhalten ließ. Ein auf den ersten Blick unscheinbares Gemälde, auf dem als Überschrift „Fortitudo“ stand, sprang mir förmlich ins Auge, und ich wusste sofort – es war ein Zeichen für mich. Für mich persönlich.
Fortitudo … Für das Verständnis, welche Bedeutung das Wort für mich hat, muss ich etwas weiter ausholen.
Schon in den ersten Jahren in Deutschland war ich auf der Suche nach Musik, nach meiner Musik. Nach Musik, die mir Kraft gab, mich inspirierte. Nach Musik, die meine inneren Saiten traf und im Einklang mit meiner Gefühlswelt war. So ‚fand‘ ich Gregorian, Era … So fand ich Lesiëm.
Die Songs dieser einzigartigen Band kann ich immer wieder hören und immer wieder berühren sie mich aufs Neue. Schon anfangs gefiel mir besonders das Lied „Fortitudo“ – Tapferkeit in deutscher Übersetzung. Ich verband den Begriff und den Liedtext mit meinem ganzen Leben, vielmehr jedoch mit meiner Kindheit. Und auch an dieser Stelle muss ich weiter ausholen.
Nein, ich will hier nicht all die Jahre ausbreiten, in denen ich mich als Mensch formte, nur – dass ich es nicht leicht hatte. Schon seit frühen Jahren depressiv, kämpfte ich mich, mehr oder weniger allein gelassen, durch das Leben. Wie mir vor einiger Zeit gesagt wurde, könne das gar nicht so gewesen sein, man hätte es gemerkt, wenn es mir so schlecht ginge, demzufolge sei es gar nicht wahr.
Ja, es ist vielleicht schwer nachzuvollziehen, dass man einem Kind die depressive Stimmung nicht anmerkte, aber wie sollte ich mich auch bemerkbar machen? Ich wusste selbst nicht, was mit mir los war, ich wusste nur – in dieser Welt zu sein ist kein Vergnügen. Aber instinktiv oder auch kämpferisch (und tapfer!), suchte ich Pfade aus diesem Zustand der grauen Trostlosigkeit. Ich hatte meine Orte und Momente, wo ich mich wohlfühlte – den Wald, den Schneesturm, das kleine, warme Fleckchen Erde im Frühling an der Sonnenseite des Hauses, den Sternenhimmel, das Schreiben, mein Tagebuch, Bücher und – nicht zu vergessen! – eine wunderbare Freundschaft. All das stützte mich, war mir Licht im Dunkeln, half mir auf dem Weg ins Erwachsensein. Tapferkeit war in gewisser Weise mein stetiger Begleiter …
Ein kleines Zeichen in der Klosterkirche in Seeon … extra für mich! Eine Anerkennung meines Lebensweges und meines Wirkens in dieser Welt. Die Bestätigung – so wie ich bin, so ist es gut.
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