Man schreibt mir zu, eine starke und mutige Frau zu sein. Ich selbst würde sagen, dass ich auf jeden Fall kämpferisch bin und nicht so leicht aufgebe. Und doch sitzen so manche Ängste in mir, die sich nicht austreiben lassen. Einige davon sind auf den ersten Blick kaum zu erklären. Dazu gehört die Furcht, nachts allein schlafen zu müssen, überhaupt vor der Dunkelheit. Sie begleitet mich schon seit jungen Jahren, aber ich denke, in Wirklichkeit seit meiner Kindheit. Bloß als Kind konnte ich sie nicht wahrnehmen, da es in der großen Familie praktisch nie dazu kam, dass ich allein im Haus war.
Es sind unvermeidbare Situationen im Leben (nicht wenige Menschen wohnen und schlafen allein), also sollte auch ich damit umgehen können. Was bleibt mir auch anderes übrig, als das Beste daraus zu machen, wenn meine Frau zum Beispiel ein paar Tage im Krankenhaus verbringen muss? Dann muss ich zusehen, wie ich zu Hause ohne sie klarkomme. Aber keine Sorge – ich habe mich mit dieser unangenehmen nächtlichen Angst arrangiert. Ich beschwichtige sie mit einer dezenten Lichterkette, die bis zum Morgengrauen im Flur eingeschaltet bleibt, und mit Ohrstöpseln in den Ohren. Mag seltsam klingen – das mit den Ohrstöpseln, ist aber besser so, denn dann höre ich kein komisches Knacken, Brummen oder Ähnliches, das mich immer wieder aufhorchen und aufschrecken lässt. Lautere Geräusche, wie Telefonklingeln oder Klopfen, bekomme ich ja trotzdem sofort mit.
Eine andere Art der Angst ist noch seltsamer und ebenso schwer zu ergründen – die Angst vor Familientreffen … wenn ein Besuch der Angehörigen ansteht. Besonders ausgeprägt ist sie in der Weihnachtszeit. Dabei geht es ausschließlich um meine Familie. Bereits Tage vorher spüre ich eine wachsende Unruhe in mir, die letztlich in mal mehr, mal weniger starker Panik gipfelt. Bemerkenswert – sobald alle meine Lieben da sind, bin ich erleichtert und fühle mich ausgesprochen gut. Wie es beispielsweise am vergangenen Sonntag war, als die Enkel zum Kaffee kamen. Wir hatten einen schönen Nachmittag, viel erzählt und viel gelacht. Insofern bestand doch keinerlei Anlass zur Panik!
Woher stammen die Ängste? Ich habe neulich das Thema bei meiner Psychiaterin angesprochen. Zwar bin ich erst seit einem Jahr bei ihr in Behandlung, aber sie kennt meine Geschichte. Die Ärztin meint (und das ist auch meine Vermutung), dass die Quelle dieser Empfindungen in meiner Kindheit liegt, dass sie mit dem Missbrauch zusammenhängen. Wenn ich so darüber nachdenke, dann neige ich dazu, ihr recht zu geben. Es ist nur logisch, wenn man die Stichwörter wie Kettenglieder aneinander reiht: Familientreffen (Weihnachten, Bruder kommt zu Besuch), Nacht, Dunkelheit (da kann viel passieren), Hilflosigkeit, Furcht, Panik, Depression …
So oder so – ich muss mit diesen Ängsten wohl oder übel leben und mit ihnen fertig werden. Das tue ich auch. Kämpferisch. Was sonst? 😉
Kommentar schreiben