Der Dresden-Urlaub ist nun vorbei und liegt schon fast zwei Wochen zurück. Wir haben viel gesehen; anstrengend war er allerdings auch – wegen der Hitze und vielem Laufen. So jung sind wir ja leider nicht mehr.
Ha, und ich … ich ziehe wieder Parallelen! Obwohl viel zu vergleichen zwischen hier und „dort“ gibt es nicht, da Reisen in Russland für mich normalerweise zur Kategorie „Luxus“ gehörten.
Und doch ist mir ein Urlaub in Erinnerung geblieben und vielleicht auch wert, darüber zu erzählen.
In den Zeiten, als mein Mann noch als Lehrer in Moskalenki arbeitete, begleitete er oft Schulklassen in den Ferien zum Zelten. Sie fuhren meistens nach Kasachstan an den See Borovoje (Burabay). In der Gegend gibt es auch noch ein paar kleinere Seen.
Im Sommer 1983 entschlossen Eugen und ich das Zelten als Familienurlaub auszuprobieren. Mein Großcousin und seine Freundin wollten unbedingt mit zelten. Und so machte sich die Sechsergruppe auf den Weg nach Schtschutschinsk. Der Ort liegt am kleineren See Schtschutschje (beides kaum auszusprechen – ich weiß) und ist nach ihm benannt. Was uns die Sache etwas erleichterte – dort wohnte Eugens Jugendfreund W. H. mit seiner Familie, also hatten wir eine Anlaufstelle, wenn was sein sollte (das war auch gut so, wie sich bald herausstellte). Er holte uns vom Bahnhof ab und brachte uns mit einem Laster zum Lagerplatz, auf dem noch ein paar andere Zelte aufgestellt waren. (An das Wort „Campingplatz“ habe ich zwar gedacht, aber es zu benutzen, wäre zu hoch gegriffen – ebenso wie die Wörter „Wohnmobil“ oder „Wohnwagen“. Das bedarf auch keiner Erklärung, denke ich). Wir hatten reichlich Gepäck für damalige Verhältnisse, und die Schubkarre war schon ganz hilfreich.
Ankunft am Haus des Freundes. Die Frau in der Mitte (ja, damals war ich noch schlank) bin ich, neben mir mein Jüngster. Stolz wie Oskar hält er ein Fernglas in den Händen. Mit Musik sind wir, wie man sieht, auch ausgerüstet.
Wir schlugen unsere Zelte auf einer Lichtung im Wald auf und die Abenteuer durften beginnen. Am meisten waren natürlich der elfjährige Alexey (Aljoscha) und der vierjährige Pawel (Pawlik) begeistert. Aber auch ich verspürte ein unvergleichliches Gefühl der Freiheit und der Leichtigkeit, als ich am ersten Morgen aufwachte, hinunter zum See lief, das tiefblaue Wasser bewunderte und die frische Luft einatmete.
Die Verpflegung war einfach. Alles, was wir konnten, hatten wir von Zuhause mitgebracht (Konserven, Nudeln, Reis). Brot, Kartoffeln und anderes kauften wir im kleinen Ort unweit unseres Platzes. In dieser Zeit waren die Läden in der Sowjetunion noch nicht dermaßen leer wie später zum Ende der 80er. Wir kochten die Mahlzeiten entweder über dem Feuer oder mithilfe eines Gaskochers. Die notwendigen Kochutensilien hatten wir mit im Gepäck. Also, es war schon umständlich, solch einen Urlaub zu bewerkstelligen, aber wir waren noch jung und voller Tatendrang (Eugen 36 und ich 29 Jahre alt).
Der kleine Pawlik hatte ständig Hunger, ihn zum Essen zu bewegen brauchte man nicht. Alex zieht ein beleidigtes Gesicht, weil sein Bruder gerade dabei ist, ihm alles wegzuessen. Aber keine Sorge – wir haben das geregelt.
Ansonsten gab es keine Rangeleien zwischen den Brüdern, dafür war der Keine auch etwas zu klein und ohnehin immer friedlich und ausgesprochen fröhlich.
Die Angelvorführung.
Pawlik tut so, als ob er am Angeln wäre, was die Jungs ziemlich lustig finden.
Aber einen Fisch, den Alexey gerade in der linken Hand hält, haben die beiden wirklich im See gefangen (mit einer richtigen Angelrute).
Das Abenteuerlichste an diesem Urlaub war die Bergwanderung. Ja, wir hatten ihn erklommen, den Berg Sinyukha, 970 m hoch. Heute kann ich mir das nicht einmal vorstellen, nun liegen auch 40 Jahre dazwischen. Am leichtesten hatte es der Vierjährige, was auf dem Foto gut zu erkennen ist, am schwersten – sein Vater.
Schade, dass wir damals noch keine Möglichkeiten für Farbfotos hatten (fotografiert hatte übrigens mein Großcousin), sonst hätte ich jetzt mit Sicherheit hier tolle Bilder einfügen können.
Eines Tages, es war etwas mehr als eine Woche vergangen, konnte Eugen ein Schlauchboot auftreiben und ausleihen. Vater und Sohn „stachen in die See“. Leider hatte ich es nicht rechtzeitig gemerkt, dass mein Mann so leichtsinnig war und den Jungen, nur mit einer Badehose bekleidet, in das Boot setzte – ohne zusätzliche Kleidung an Bort zu haben. Als sie nach ein paar Stunden wieder ans Land gingen, hatte der Elfjährige bereits einen schlimmen Sonnenbrand. Die ganze Nacht schlief er sehr unruhig, stöhnte und wimmerte unentwegt. Bei Tageslicht dann sah ich mir seinen Rücken an und es lief mir kalt den eigenen hinunter. Die gesamte Rückenfläche war mit einer einzigen riesigen, mit Flüssigkeit gefüllten, Blase bedeckt – ein furchterregender Anblick. Das arme Kind! Wir Eltern ließen alles liegen und stehen und machten uns mit den Kindern auf zum Bus und in die Stadt zur Notaufnahme. Zum Glück mussten wir nicht lange warten, die Riesenblase wurde aufgeschnitten, die Flüssigkeit abgesaugt und die ebenso riesige Wunde versorgt und bandagiert.
Nun war für Mutter und Kind(er) der Urlaub erst einmal vorbei. Eugen fuhr zwar für den Rest der Woche noch zurück zu den jungen Leuten, die Kinder und ich konnten bei der Familie seines Freundes unterkommen, wofür wir diesen freundlichen Menschen sehr dankbar waren. Alex sah ein wenig, wie eine Mumie, aus, aber Hauptsache, es verheilte alles schnell und gut.
Ein kleines, aber interessantes und zu denken gebendes Detail am Rande: Im Wald rundum des Zeltlagers fanden wir eine Menge an leeren Wodkaflaschen, die wir regelmäßig einsammelten und im Ort gegen Pfand eintauschten – ein schönes, zusätzliches „Einkommen“. Dass keiner vor uns auf die Idee kam? Auf andere Art formuliert: Dass es überhaupt so viel Leergut gab? …
Diesen Urlaub wiederholten wir gleich im nächsten Jahr, diesmal machten meine Schwester Aneta und ihr Sohn mit. Aber das war dann auch schon genug solcher Abenteuer.
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