Russland auf dem Weg in die Finsternis
Das in Russland schon vor Monaten angekündigte neue Gesetz ist nun am 5. Dezember vom Präsidenten unterzeichnet. Es verbietet die Propaganda nicht-traditioneller sexueller Beziehungen, Geschlechtsumwandlungen und (in demselben Atemzug sozusagen!) Pädophilie. Somit wird homosexuelle Orientierung und Pädophilie praktisch gleichgestellt.
Das Gesetz gilt für alles, woraus Informationen gezogen werden können – Filme, Bücher, Computerspiele, Medien und so weiter. Es ist auch verboten, eine bestimmte Kategorie von Waren zu verkaufen, aber es gibt keine klaren Kriterien dafür, was als Propaganda angesehen werden kann. Ich befürchte allerdings, dass sogar Kinderzeichnungen, die einen Regenbogen zeigen, darunter fallen können. Werden dann die Eltern zu Verantwortung gezogen oder gar das Kind persönlich?
Auch das Ordnungswidrigkeitengesetz wurde geändert. Für Verstöße gegen das Verbot von LGBT-Propaganda werden hohe Geldstrafen bis zu 400 000 Rubel für Bürger, bis zu 800 000 für Beamte, bis 5 Millionen Rubel für juristische Personen oder die Aussetzung ihrer Aktivitäten für bis zu 90 Tage angedroht.
Für die Verbreitung von Informationen unter Kindern, die nicht-traditionelle sexuelle Beziehungen zeigen oder „sie dazu bringen können, ihr Geschlecht ändern zu wollen“, werden Geldstrafen von bis zu 200 000 Rubel für Bürger, bis zu 400 000 für Beamte und bis zu 4 Millionen Rubel für juristische Personen angedroht.
Noch höhere Geldstrafen sind für die Propaganda der Pädophilie vorgesehen. Dagegen gibt es ja auch nichts einzuwenden! Ich frage mich jedoch (mit großen Augen), gab es denn bis jetzt solch eine Propaganda in Russland und wenn ja, wie sah die aus? Wie würde sie aussehen?
Ausländer werden für Verstöße gegen das Gesetz aus Russland ausgewiesen. Rausgeschmissen werden ist ja noch halb so wild, aber wer garantiert, dass es nicht schlimmer kommt? Wie gut, dass ich nicht vorhabe, in meine alte Heimat zu reisen! So etwas wird mir auch nie in den Sinn kommen.
Ich weiß nicht, ob ich dies alles kommentieren soll. Ist es überhaupt notwendig?
Aber wie reagieren die Russen auf diesen Bockmist? Ich muss sagen – es gibt viele kritische Stimmen. Nachfolgend als Beispiel meine Übersetzung eines großartigen Kommentars von Dmitry Nova (Moskau):
„Ich bin schon seit Langem konfus, wie wahrscheinlich jeder normale Mensch in Russland, weil ich zwei Dinge nicht verstehe. Der Begriff „Propaganda“… Nach meinem Verständnis bedeutet er eine Art Werbung für einige Postulate, Dogmen oder Weltanschauungen, und zwar auf positive Weise. Denn auf eine negative Art und Weise über LGBT-Menschen kannst du alles sagen, niemand wird dich dafür bestrafen. Aber das Problem ist, dass NIEMAND LGBT-Menschen bewirbt oder propagiert! Das heißt, die Tatsache der Propaganda existiert dummerweise zunächst gar nicht. Und was gibt es? Es gibt eine Bewegung für Gleichberechtigung mit heterosexuellen Vertretern der Spezies Homo sapiens. Niemand in der LGBT-Community sagt: „Mach mit, weil schwul zu sein cool ist“! Sie sagen: „Gebt uns gleiche Rechte, einschließlich des Rechts, Eheverträge zu registrieren, denn was kümmert es euch, wer von uns mit wem zusammenlebt, wer wen liebt und wer sein Eigentum wem vererben will!“ Es gibt nichts zu verbieten, denn es gibt hier keine Propaganda! Was schreibt ihr Idioten für „Gesetze“? …
Die Frage ist immer noch aktuell – verdienen LGBT-Bürger Glück und gleiche Rechte? Es ist eine Frage der Menschlichkeit. Und wenn jemand in der Gesellschaft kein Glück und keine Rechte verdient, dann verdient es niemand. Die Grundregel der Gleichheit wird verletzt und Diskriminierung tritt auf. Und Diskriminierung ist eine Krankheit und sie korrumpiert die Gesellschaft und macht sie heuchlerisch, widersprüchlich und böse. Die Frage hier sollte also an die Gesellschaft gerichtet werden – wollen Sie in Diskriminierung leben? Denn wenn Sie aufgrund der Sexualität diskriminieren, dann seien Sie darauf vorbereitet, dass Diskriminierung auch Sie betrifft. Und es kann andere Formen haben – Diskriminierung aufgrund politischer und religiöser Ansichten, sogar der Augenfarbe – Fanatiker haben keine Grenzen, und Fanatismus neigt dazu, sich zu vermehren.“
Zum Schluss eine Anekdote aus der sowjetischen Zeit:
Sexualkunde-Unterricht in der Schule: „Kinder, es gibt verschiedene Arten von Liebe: Zwischen Mann und Frau – das ist aber zu früh für euch; gleichgeschlechtliche Liebe – die gibt es bei uns nicht, wir verurteilen sie. Und es gibt die höchste Art von Liebe: die Liebe zur Partei – das ist es, was wir machen werden.“
Es sieht aus, als ob die Anekdote wieder ihre Gültigkeit bekommt. Bloß, „Partei“ würde ich mit „Putin“ ersetzen – dann ist es für Russland wirklich stimmig.
PS: Ich bin gespannt, wann meine russischen Texte, die ich auf proza.ru und chitalnya.ru veröffentlicht habe, entfernt werden. Noch sind sie alle an Ort und Stelle vorhanden. Eine Freundin hat mir allerdings gestern mitgeteilt, dass ihr Manuskript bereits beim Hochladen auf chitalnya.ru blockiert und „in der Luft“ hängen geblieben ist.
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